Was für ein schöner Tag für BlackBerry war gestern! Endlich trifft es einmal nicht tausende Mitarbeiter im Zuge von Massenentlassungen sondern denjenigen, der die schon strauchelnde Firma final vor die Wand gefahren hat – Thorsten Heins.
Seit dem Tag seiner Ernennung zum CEO haben wir darauf hingewiesen, dass er es nicht kann, beginnend mit dem Beitrag Thorsten Heins neuer CEO von Research in Motion (RIM) . Im Pretioso Blog stand damals:
Ich wünsche ihm und RIM alles Gute – ich glaube aber, dass es für diese Herkulesaufgabe eines anderen Leaders bedurft hätte. Denn eines darf man nicht vergessen: Als COO bei RIM war er maßgeblich am Niedergang der letzten Jahre beteiligt und auch bei der Kommunikationssparte von Siemens, wo er zuvor war hat er mehr abgewickelt als aufgebaut.
Rund 17 Monate später haben wir Heins Performance im Beitrag BlackBerry Quartalszahlen — Mit Thorsten Heins in den Abgrund? subsumiert. Mein Fazit zu Beginn des Artikels:
Seit gestern ist mir nun noch deutlicher, dass Thorsten Heinz nicht nur ein schlechter Kommunikator ist sondern für alle am Unternehmen Interessierten ein echtes Risiko darstellt.
Insofern ist der 04. November für BlackBerry ein guter Tag. Der Totalflop Heins wird gefeuert und man hat ihm glücklicherweise verwehrt, das Unternehmen – anscheinend um jeden Preis – zu verkaufen, um ihm dann auch noch die 55,4 Millionen USD Prämie für diesen Fall des Verabschiedens zahlen zu müssen.
Doch ist nun alles gut?
Bei weitem nicht, BlackBerry ist weiterhin eine dahinsiechende Firma, vermutlich sogar eine sterbende Firma. Nichts bringt dies deutlicher zum Ausdruck als die Reaktion auf die nun geplanten Maßnahmen durch die Börse – die an sich gute Nachricht, dass Heins geht, konnte nicht vom negativen Ausblick auf das verkündete Gesamtpaket abhalten – noch einmal mehr als 16% Absturz der Aktie sind die logische Folge.
Denn der Kurs von BlackBerry erscheint beim derzeitigen Setup vielen objektiv noch überbewertet. Es fanden sich keine Investoren für das gestern ablaufende Gebot der Heuschrecke Watsa basierend auf 9 USD pro Aktie, was einen Unternehmenswert von 4,7 Milliarden USD bedeutet hätte.
Berücksichtigt man nun, dass im laufenden Quartal die Umsätze noch einmal dramatisch zurückgehen und die erneuten Massenentlassungen die noch vorhandenen Cash-Bestände dramatisch abschmelzen lassen, dürfte es realistisch sein, dass noch einmal 1,7 Milliarden verbrannt werden. Konsequenz: Der Unternehmenswert sinkt auf rund 3 Milliarden USD.
Bringt man die nun im Zuge der heute verkündeten Massnahmen begebene Wandelanleihe über 1 Milliarde USD noch in Abzug, verbleibt derzeit ein Unternehmenswert von 2 Milliarden. Diese Annahme bedeutet, dass die Aktie einen Wert von ca. 3,60 USD hätte und mit dem heutigen Schlusskurs von 6,50 USD drastisch überbewertet wäre.
Und diese Rechnung basiert auf der Annahme, dass BlackBerry nunmehr sofort wieder Anschluss finden könnte, was ungefähr so realistisch erscheint wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. Insofern sind die dargestellten 3,60 USD auch noch eine deutliche Überbewertung. Der realistische Wert kann sich ggf. auch im Bereich der Eröffnungskurse von 1999 einpendeln, was Kurse im Bereich 1,50 – 2,00 USD bedeuten würde.
Derzeit deutet viel darauf hin, dass es in diese Richtung gehen wird, denn die Produkte lassen dramatisch an Qualität zu wünschen übrig, der Exodus der Kunden ist nicht gestoppt (und nicht zu stoppen) und wird vom Exodus der wichtigsten Mitarbeiter begleitet. Ich glaube deshalb, dass BlackBerry in seiner heutigen Form nicht zu retten ist, weil die Produkte ganz einfach keine Marktreife mehr besitzen.
Die aktuellsten Beispiele:
Der BlackBerry Enterprise Server 10 ist weiterhin eine Baustelle, die von einem guten MDM– oder EMM-System Lichtjahre entfernt ist. Das fängt damit an, dass dieses Produkt in der aktuellen Version 10.1.3 nur auf englischsprachigen Windows-Servern installiert werden kann, eine Ohrfeige für alle, die den BES 10.0.0 beispielsweise noch auf einem deutschen, französischen oder spanischen Server installiert haben, weil dies seinerzeit ging – ein einfaches Update ist für diese Anwender unmöglich, da sie zunächst die Sprachversion des Windows Servers umstellen müssen, was häufig zu Funktionsproblemen führt. Das Internet ist voll von frustrierten Kommentaren allein zu diesem Thema.
iOS 7 wurde am 18.09.13 veröffentlicht. Der BES 10.1.3, der iOS 7 längst noch nicht vollständig unterstützt, wurde am 03.10.2013 veröffentlicht. Dumm für die Anwender dieses Systems, denn sie konnten keine Geräte mehr managen, deren Anwender auf iOS 7 upgedatet hatten und dieses Update für die Anwender auch nicht unterbinden. Aber was macht es schon über zwei Wochen nicht compliant zu sein! Das Problem hatten und haben ja viele andere MDM-Anbieter auch, man ist in schlechter Gesellschaft.
Wenn man schließlich einmal den BES 10.1.3 zum Laufen gebracht hat – vielen Anwendern gelingt dies nur mit tage– oder gar wochenlangem Aufwand – ist man genervt von der Architektur. Da hat man die – früher überflüssige – Komponente BlackBerry Management Studio, die seit der Version 10.1 nicht mehr links liegen gelassen werden kann, da dort nunmehr das Lizenzmodul angeordnet ist. Sonstige Funktionen? Mager. Ein wenig aussagekräftiges Dashboard und Links zu den eigentlichen Modulen BlackBerry Device Service und Universal Device Service.
Ergonomie geht völlig anders! Glauben Sie bitte nicht, dass Ihre AD-Aktivierung im BlackBerry Device Service automatisch in den Universal Device Service übernommen wird – Logik ist nicht die Stärke des BES 10. Die ‘Lösung’ ist nach wie vor ein zusammengeschraubtes Sammelsurium unterschiedlicher Komponenten, die jeweils auch noch in einem komplett unterschiedlichen Design und Look & Feel daherkommen.
Doch das Problem sind nicht nur die fragwürdig gestalteten Managementkomponenten. Die Probleme erreichen auch die einzelnen Endgeräte. Die BlackBerry World ist nach wie vor weit überwiegend ein Friedhof schlecht portierter Android-Apps, was aus Sicht der App-Entwickler verständlich ist, weil es sich nicht lohnt nativ für BlackBerry zu entwickeln. Beispielsweise ist die eigentlich hervorragende nTV-App auf BlackBerry 10 Geräten nach wie vor fast unbenutzbar, unzählige wichtige Apps gibt es schlicht nicht. Um Missverständnisse zu vermeiden: Nativ für BlackBerry 10 entwickelte Apps sind häufig hervorragend, aber es gibt viel zu wenige davon.
Aber es gibt weit lästigere Probleme. So stöhnen viele Anwender über das leidige Dublettenproblem in den Kontakten seit Monaten – egal ob man sich per BES oder ohne BES mit Messaging-Systemen verbindet, das Internt bietet hunderte Diskussionsthreads ohne Lösung – seit Monaten. Auf meinem Testgerät Z10 werden so aus meinen 1.800 Kontakten mal eben 7.083, was nicht nur rund 1.000 Dubletten geschuldet ist sondern auch der Tatsache, dass Adressbücher synchronisiert werden, die gar nicht synchronisiert werden sollen! Gute Messaging-Integration geht komplett anders – leider.
Doch die BlackBerry-Community ist ja versiert in der Beseitigung von Problemen, die BlackBerry nicht gelöst bekommt. Contact X heißt die Antwort der Entwickler-Community für 1,79 € auf die Dubletten. Damit löst man das Problem, das BlackBerry seit nunmehr 10 Monaten nicht gelöst hat, zumindest für die Dubletten. Die Synchronisierung nicht gewünschter Adressbücher wird hiermit allerdings auch nicht gelöst.
Und es gibt viele weitere Probleme, speziell auf dem Z10. Auch die aktuellste Firmware verbessert die Empfindlichkeit des Touchscreens nicht wirklich, oft muss man viele Versuche wagen, bis sich schließlich die Tastatur für ein Eingabefeld öffnet. So stellt sich die Frage, warum man sich einen BlackBerry Z10 denn kaufen soll. Mittlerweile ist zumindest der Preis ein gewichtiges Argument, denn für unter 300 Euro erhält man ein leidlich brauchbares Gerät, dass durchaus auch Stärken und pfiffige Ideen mitbringt.
Doch reicht das zum Überleben?
Nein, der Zug ist abgefahren. Meines Erachtens wird BlackBerry aufgespalten werden. Die Hardwareproduktion wird eingestellt, die Patente werden verkauft und der BlackBerry Messenger wird ein eigenständiges Geschäftsfeld.Denn der Messenger ist nach wie vor wirklich gut und hat nach der Portierung auf iOS und Android das Potential Marktführer zu werden. Es gibt meines Erachtens keinen besseren Messenger auf dem Markt.
Dies ist meine Prognose. Regelmäßige Leser wissen ja – in der Vergangenheit habe ich meistens richtig gelegen …
Bild: Thorsten Heins neuer CEO von Research in Motion (RIM)
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